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Alt 30.04.2010, 22:41
DiStefano DiStefano ist offline
Revoluzzer
 
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Tut mir leid wate, aber das sehr ich ganz anders. Wir sind nicht ein Sportverband der verpassten Chancen und Möglichkeiten. Diese scheinen mir nämlich nicht wirklich realistisch zu sein. Schon unsere Schätzungen über die tatsächlich vorhandene Zahl regelmäßiger Freizeitspieler gehen meilenweit auseinander. Ich lebe z. B. in einer Region, wo man ca. 30 km weit fahren müsste, um überhaupt auf eine attraktiv betriebene FREIZEIT-Minigolfanlage zu kommen - von Turnieranlage gar nicht zu reden. Hier wissen die Leute vielleicht gerade mal, dass Minigolf mit Schlägern und Bällen gespielt wird, aber sie kennen die Regeln nicht und natürlich wissen sie auch nichts davon, dass es Vereine gibt. Bestimmt gibt es in Deutschland sehr viele solcher Regionen, was dann bedeutet, dass in den Ballungszentren nahezu jeder Minigolf spielen müsste, damit man auf deine genannte Zahl kommt.

Unser Sportverband macht aus den gegebenen Möglichkeiten schon sehr viel, und er hat es bis weit in die 90er Jahre verstanden, den dort organisierten Sportlern eine Sportart bereitzustellen, die ein wenig extravagant ist, die aber bei aller Skurrilität äußerst charmant und liebenswert war und sich auf dem Marktplatz der Sportarten in einer Nische positionierte, die bei einer ziemlich konstanten Mitgliederzahl maximalen Spaß am Sport gewährleistete. Und dies auch für "Sportler", die aufgrund körperlicher Dispositionen nie Chancen auf Erfolg in herkömmlichen Sportarten gehabt hätten. Daher ist der Vergleich mit den (in Deutschland genauso wenig als Profisport funktionierenden) Sportarten Dart oder Billard treffend. Dieser Zustand hielt so lange an, bis sie dann hergingen und aus diesem spaßmaximierenden Nischensport krampfhaft eine leistungsmaximierende Popel-Sportart wie alle herkömmlichen machen wollten (in der Hoffnung, die Spaßmaximierung durch Geldmaximierung ersetzen zu können, vielleicht auch durch persönliche Wichtigkeitsmaximierung): mit ChampionLeague, mit Spitzensportkonzentration, zuletzt mit Dopingkontrollen (die für mich ein untrügliches Anzeichen dafür sind, dass dem Sport das letzte bisschen Spaß abhanden gekommen sein muss). Genau das nehmen die meisten Sportsfreunde ihren Verbandsoberen noch heute völlig zu recht übel, und die jetzt im Verband Tätigen müssen es ausbaden, ob sie nun Michelino, Bärliner oder anders heißen. Seit dieser Zeit wird der Minigolffunktionär an sich nicht mehr als Anwalt der Spielerinteressen, sondern als übereifrig übers Ziel hinausschießender Reformsüchtiger wahrgenommen, ganz egal, ob bei ihm der Umdenkprozess schon begonnen hat oder nicht.

Die Reform verlor vollends die Richtung, als die in Deutschland immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Verhältnisse begannen, an der Mitgliederzahl zu fressen. Ich behaupte nach wie vor ganz frech, dass mangelndes Interesse am Vereinsminigolf überhaupt nicht durch interne, durch den Verband in irgendeiner Weise zu beeinflussende Faktoren verursacht ist, sondern durch die Begleiterscheinungen gesellschaftlicher Stagnation, als da wären: immer stärkere Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft in den Betrieben (Überstunden baggern, Arbeitsverdichtung...), Abkoppelung eines immer größeren Teils der Bevölkerung von der allgemeinen Einkommensentwicklung (Hartz 4, reale Rentenkürzungen, Dumping bei Leichtlohngruppen...), abnehmendes Interesse vor allem des jüngeren Teiles der Bevölkerung an körperlichen Tätigkeiten, sowie ein gesellschaftlicher Trend der Vereinzelung und individuellen Suche nach Glück (abnehmende Verantwortungsbereitschaft, gewählte Selbstisolation, andauerndes reflexhaftes Herumtippen auf Handy-, iPod- und iPad-Tastaturen selbst auf öffentlichen Plätzen). Der Versuch, den Mitgliederrückgang beim Minigolf durch Beeinflussung von verbandssportlichen Stellschrauben beeinflussen zu wollen, ist in etwa vergleichbar mit dem Versuch, das Weltall beheizen zu wollen, da dieses doch so kalt sei.

Die Rettung des Minigolf kann meines Erachtens nur erreicht werden, wenn diese spaßmaximierenden Dinge von früher wieder zurückgeholt werden. Das völlig unverfälschte spaßmaximierende Minigolf ist skurril genug, um in unserer Sportlandschaft wahrgenommen zu werden. Überdies bietet es beste Mitmachvoraussetzungen auch für Leute, die objektiv weniger sportlich daherkommen. Aber dazu müssten die Verantwortlichen einsehen, dass sie sich in den letzten 15 Jahren mit ihrer geistig-moralischen Wende hin zur Leistungsmaximierung vorwiegend auf Abwegen befanden.

Geändert von DiStefano (30.04.2010 um 23:27 Uhr).
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