Einige von euch haben ja schon die Anfänge der westdeutschen Stadtguerilla-Szene, welche sich Ende der 60-ziger in Organisationen wie der "Bewegung 2. Juli", den "Haschrebellen", "Tupamaros", "Rote Ruhr Armee" oder aber eben der "RAF" manifestierte, hautnah miterlebt.
Was haltet speziell ihr (die ihr sozusagen "mittendrin, statt nur dabei" gewesen seid) von folgenden (zugegebener Maßen: provokanten) Thesen:
1. Beinahe jeder zweite bundesdeutsche Großstädter (vor allem aber aus Frankfurt und W-Berlin)
in jungen Jahren war seinerzeit- je nach Bildungsgrad -, entweder mit weltrevolutionären Gedankengut (verklärtes Mao & Co.-Gesabbel) infiziert oder aber einfach völlig unrevolutionär auf abmatten, kiffen und Krawall machen (=mit den Bullen Spaß haben) aus.
Oder um es anders zu formulieren: Die damalige extremistische, gewaltbereite Szene (ich schreibe mit Absicht nicht "linksextrem", weil einige bis viele überhaupt nicht "links" waren - das fängt schon beim RAF-"Gründungsmitglied" Baader an...), war weniger ein punktuelles, als vielmehr ein
Massenphänomen.
Dafür würde auch sprechen, dass man
2. bei jeder Recherche
im Umfeld der damaligen Stadtguerilla-Szenerie auf mehr oder weniger bekannte Namen der heutigen Politik, Medienlandschaft und ganz allgemein: aus dem heutigen Establishment, trifft.
Aus (1) und (2) ableitend, hat es
3. seit jeher ein
sehr breites Unterstützer-Umfeld für die RAF gegeben, welches sich für die vermeintlichen Zwecke/Ziele der RAF entweder
direkt einspannen, oder aber zumindest - ein mehr oder weniger offensichtliches - Symphatisantentum erkennen ließ. (Nur mal als Beispiele: Nobelpreisträger Böll forderte für die Meinhof "freies Geleit"; Starfriseur Walz hat der Meinhof, als sie schon steckbrieflich gesucht wurde, die Frisur verändert; Biermann spendete einen Preis für die Freiheit Horst Mahlers (ob er das inzwischen wohl bereut?
); Joschka Fischer gab zu, dass er über den Tod von Ponto&Co. keine Tränen vergießen könnte; und selbst Bundespräsident Heinemann verstieg sich anlässlich des Todes der Meinhof 1976 zu der Ansicht „Was immer sie getan hat, so unverständlich es war, sie hat es für uns getan.“ - Quellen folgen weiter unten)
4. Eine Vielzahl 68-ger ist heute im - früher so verhassten - Establishment angekommen und besetzt Schlüsselpositionen in der Politik und Medienlandschaft. Damit haben sie aber auch die "Deutungshoheit" über die Vergangenheit gewonnen - und im Zuge dessen wird das Bild der RAF doch so ein "ganz klein wenig" verzerrt und verwischt. "Glorifiziert" wäre vielleicht sogar der passendere Ausdruck.
Wer das bezweifeln sollte, muss sich nur mal kurz vorstellen, wie es wohl gewesen wäre, wenn die RAF eine rechtsradikale Nazi-Organisation gewesen wäre (für mich gibt es da eh keinen Unterschied).
So manch ein Buch oder Beraterhonorar von/für Ex-Terroristen wäre wohl nie erschienen bzw. bezahlt worden. So manch eine öffentliche Aussage, mancher Zeitungsbericht und manche Fernsehdokumentation hätte
ganz anders ausgesehen. Und so mancher selbstloser Einsatz für die Inhaftierten wäre wohl glattweg unterblieben.
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Das sind jetzt keine festgemeiselten Meinungen von mir, sondern nur mal ein paar Thesen, die mir nicht ganz unstimmig zu sein scheinen. Kann mal ja mal diskutieren.
Hier die Links:
http://www.welt.de/data/2003/08/11/150637.html
http://www.rafinfo.de/hist/index.php
http://www.nadir.org/nadir/archiv/Po.../2_juni_2.html
http://www.nadir.org/nadir/archiv/Po...uni/index.html
http://www.bettinaroehl.de/Ulrike_Me...e_meinhof.html
http://www.bettinaroehl.de/Die_68er/.../die_68er.html
PS: Die oben erwähnten Walz/Biermann&Co-Geschichten finden sich auf der Röhl-Seite in den verschiedensten Artikeln. Ein Gesamtstudium dieser Seite lohnt sich aber auf jeden Fall. Nicht nur, um die Frau besser einordnen zu können - dass sie einen 68-ger/Fischer-Komplex hat, lässt sich wohl kaum bestreiten -, sondern weil dort vor allem vielerlei interessante Hintergründe und (teilweise unveröffentlichte) Interviews zu finden sind.